Flora, aber welche in welchem Weinberg?

Gestern Abend hatten wir zum 2. Mal das Vergnügen von Herrn Dr. Jeschke über die Flora im Weinberg referiert zu bekommen. Zu vielen Pflanzen habe ich bei seinem ersten Vortrag bereits einiges geschrieben, um Appetit darauf zu machen, mit offenen Augen durch die Natur zu gehen. Von daher verzichte ich heute auf die Beschreibung weiterer Pflanzen und berichte hier über die eigentlichen Fragen, die sich um weinbergstypische Pflanzen – Artenvielfalt im Weinberg und wie das Ganze aussehen kann, stellen.

Wenn wir uns über Pflanzen, die früher in den Weinbergen zu finden waren und heute dort nicht mehr anzutreffen sind, unterhalten, dann ist es sicher zu einfach, das Ganze auf die Bewirtschaftung der Weinberge abzustellen. Hier hat ein Prozess aus vielen verschiedenen Parametern stattgefunden, die jeder für sich betrachtet seinen Anteil dazu beigetragen hat, dass wir heute eine andere Vegetation vorfinden als vor 40 Jahren.

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Veränderte Strukturen

Vor 40 Jahren begann an der Mosel die Flurbereinigung, wo aus Parzellen mit 100 bis 250 m² durch die Zusammenlegung Parzellengrößen von um die 1000 m² entstanden. Das hört sich nicht wirklich dramatisch an, ermöglichte aber plötzlich andere Bewirtschaftungsformen. Bis dahin war alles zu Fuß zu erledigen, da es weder Wirtschaftswege noch Straßen gab. Bodenbearbeitung beschränkte sich ebenfalls auf Handarbeit. Die Eingriffe waren somit deutlich weniger aggressiv als diejenige, die dann mit Hilfe von Schleppern erfolgen konnte. Für viele Pflanzen das Ende ihres Lebensraumes, für andere Pflanzen eine willkommene neue Nische.

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Dünger & Co.

Die Industrie entdeckte etwa zur gleichen Zeit die Agrarwirtschaft als lohnenden Markt. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ wurde gedüngt, denn es war ja im Grunde preiswert, denn die Erträge stiegen. Aus teilweise mageren Standorten wurden durch den Einsatz mineralischer Dünger überversorgte Böden. Und wieder bot die Veränderung vielen Pflanzen nicht mehr den richtigen Lebensraum, wohingegen sich andere nun ansiedeln konnten.

Der Herbizideinsatz ersetzte dann – wer kann es den Winzern dieser Zeit verdenken – die mühsame Handarbeit des Jätens. Die Zeit der blankgeputzten Weinberge nahm ihren Anfang. Von Vegetation im Weinberg war fortan nur noch wenig zu sehen.

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Neue Ideen

Der Ertrag war gestiegen, die Arbeit war weniger anstrengend durch den Einsatz von Maschinen und chemischen Hilfsmitteln und so konnten die Flächen eines jeden Einzelnen wachsen. Die Auswirkungen dieser ganzen Veränderungen zeigten sich schleichend und waren nicht unmittelbar einem direkten Verhalten zuzuordnen. Und was die Pflanzen anging, die früher im Weinberg wuchsen, die wenigsten Pflanzen waren auch damals Schönheiten, die meisten wurden als „Unkräuter“ angesehen, gegen die man vorgehen musste – am besten chemisch. Dass sie verschwanden, wurde zunächst überwiegend positiv gesehen.

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Mischungen für die Artenvielfalt

Heute sieht man die Verarmung in den Arten eher kritisch und versucht andere Wege zu gehen. In wie weit man durch den Einsatz von Blühmischungen Artenvielfalt in die Weinberge zurückholen kann, hängt sicher zuerst von der Einstellung der Winzer ab. Diese wird durch die Effizienz der Arbeit gesteuert und den erzielbaren Gewinn.

Passend zu diesem Thema Blühmischungen und Saatgut hat das EU-Parlament die Saatgut-Verordnung, die von Monsanto und weiteren großen Saatgutproduzenten eingebracht wurde, abgeschmettert. Sie hätte Konzern-Einheitssaatgut bevorzugt und regionale Vielfalt vernichtet. Wir dürfen also weiterhin unser eigenes Saatgut produzieren. Womit wir wieder bei der eigentlichen Frage wären.

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Was ist denn heute wirklich Weinberg typisch.

Jeder Weinberg hat seine eigene Struktur, Bodenbeschaffenheit, Wasserführung, Ausrichtung, Wärme und einen Nachbarn. Auf unterschiedlichen Standorten finden sich unterschiedliche Pflanzen, die sich am jeweiligen Standort ansiedeln weil sie sich dort wohl fühlen, die Standortbedingungen für die Pflanzern optimal sind. An diesen, für sie optimalen Standort können sie sich gegen Konkurrenz behaupten, blühen und Samen bilden.

Saatgut was in Mischungen angeboten wird enthält oft Hybridsaatgut oder Saatgut aus nicht heimischen Gebieten, was selbst kein keimfähiges Saatgut mehr hervorbringt. Auch wenn es sich noch so wohl fühlt, es wird sich nicht weiter ausbreiten. Aus Sicht der Industrie ein Markt, der regelmäßige Nachfrage beschert – es muss jedes Jahr neu ausgesät werden. Aus Sicht der Artenvielfalt und der Standort typischen Pflanzen ein Problem.

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Heimische – samenechte Arten sind hier die Wahl. Einmal ausgebracht kann man sie aussamen lassen – und dann sehen wir, was sich wohl fühlt und bleibt – für mich ist das dann Weinberg typisch im 21. Jahrhundert.

Heimisches, samenechtes Saatgut bekommt man z.B. bei Rieger – Hofmann, bei Bingenheimer Saatgut und viele andere.

Schönes Thema für eine Diskussion – ich würde mich über Meinungen – ganz im Sinne der MeinungsVIELFALT freuen.

Vielen Dank an Familie Anni Fritzen für die zur Verfügung gestellten Fotos aus der Zeit VOR der Flurbereinigung.

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